Saras Geschichte
GESUNDHEIT > ERFAHRUNGEN aus 1. HAND
Saras Erfahrungsbericht als Genesungsbegleiterin
Der Selbsthilfeverband Psychiatrie-Erfahrener nutzt Saras Geschichte, um auf kritische Aspekte ihrer Situation sowie die Folgen für das psychiatrische System und damit auch für Betroffene und Angehörige hinzuweisen.
Meine Reise als Genesungsbegleiterin: Eine persönliche Geschichte
Wie ist es, als Genesungsbegleiterin in einer großen Klinik zu arbeiten?
Zwischen Anerkennung und Frustration, zwischen Hoffnung und Herausforderungen – erfahre in dieser persönlichen Geschichte von Sara einer zertifizierten Genesungsbegleiterin , warum der Kampf um Wertschätzung in diesem Beruf so hart ist
Zwischen Anerkennung und Frustration, zwischen Hoffnung und Herausforderungen – erfahre in dieser persönlichen Geschichte von Sara einer zertifizierten Genesungsbegleiterin , warum der Kampf um Wertschätzung in diesem Beruf so hart ist
➡️ Viele Mitglieder unseres Landesnetzwerks haben die Genesungsbegleiter-Fortbildung abgeschlossen. Wir haben sie gefragt: Wie ergeht es euch in dieser Rolle? Hier teilen wir einen bewegenden Erfahrungsbericht, der zum Nachdenken anregt und einen ehrlichen Einblick in die Herausforderungen dieses wichtigen Berufsfeldes bietet.
➡️ Hallo, mein Name ist Sara. Ich bin 33 Jahre und arbeite an einer Landesklinik in RLP als Genesungsbegleiterin. Ich möchte meine Erfahrungen mit Euch teilen. Als ich meinen ersten Tag als Genesungsbegleiterin an einer großen Landesklinik in Rheinland-Pfalz begann, war ich voller Enthusiasmus. Nach meiner eigenen Genesung hatte ich die EX-IN-Ausbildung abgeschlossen und war bereit, anderen Menschen zu helfen, die ebenfalls einen schwierigen Weg hinter sich hatten. Ich war überzeugt, dass mein Erfahrungswissen wertvoll war und einen Unterschied machen könnte.
In den ersten Wochen lief alles fast perfekt. Die Patienten reagierten sehr gut auf mich, und ich bekam positive Rückmeldungen von vielen Seiten. Ärzte und Psychologen lobten meine Arbeit, und sogar das Pflegepersonal stand größtenteils hinter mir. Ich hörte oft Sätze wie: „Die Patienten öffnen sich Ihnen viel schneller“ oder „Ihre Perspektive ist eine echte Bereicherung für unser Team.“ Das gab mir Kraft und bestätigte, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Doch dann begann ich, die Schattenseiten meiner neuen Rolle zu spüren. Es waren nicht viele, aber einige Pflegekräfte standen meiner Arbeit kritisch gegenüber. Einmal fragte mich jemand unverblümt: „Wer bezahlt eigentlich Ihre Stelle?“ – eine Frage, die mich irritierte und verunsicherte. Bei einer geplanten Schulung über die Rolle der Genesungsbegleiter hörte ich dann sogar, wie ein Pfleger laut verkündete: „Da gehe ich nicht hin. So einen Quatsch brauche ich nicht!“ Das tat weh. Es war, als ob meine Arbeit nicht ernst genommen wurde.
Ich versuchte, mich davon nicht entmutigen zu lassen. Schließlich hatte ich die Unterstützung der Patienten und vieler Kollegen. Doch es waren genau diese wenigen kritischen Stimmen, die mir das Leben schwer machten. Einmal wurde mir sogar gesagt: „Rede nicht zu viel mit den Patienten, sonst gewöhnen sie sich zu sehr daran.“ Das widersprach allem, woran ich glaubte und wofür ich als Genesungsbegleiterin stand. Es war frustrierend, so etwas zu hören, und noch schlimmer, dass mein Vorgesetzter diese Kommentare einfach ignorierte.
Neun lange Monate vergingen, bis ich es endlich schaffte, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu bringen, um über meine Situation zu sprechen. In dieser Zeit hatte ich keine Supervision, keine wirkliche Unterstützung. Doch ich hielt durch, weil ich an das glaubte, was ich tat. Mein Vorgesetzter sagte mir noch im Februar: „Sie machen einen super Job!“ – und trotzdem wurde mein Jahresvertrag nicht verlängert. Der Schlag saß tief.
Es war ein Widerspruch, der mich bis heute beschäftigt. Wie konnte es sein, dass ich von allen Seiten positives Feedback erhielt, aber am Ende keine Zukunft in der Klinik hatte? Die Wahrheit ist: Unsere Arbeit als Genesungsbegleiter wird zwar gelobt, aber nur selten wirklich anerkannt. Wir haben keine starke Lobby, niemand, der uns nach außen hin vertritt und erklärt, wie wichtig unsere Tätigkeit wirklich ist. Es fühlt sich oft so an, als ob wir in einem System arbeiten, das uns als Bedrohung sieht, anstatt als Ergänzung.
Ich habe oft darüber nachgedacht, ob es sich überhaupt lohnt, als Genesungsbegleiterin zu arbeiten. Die emotionale Belastung ist groß, und die Unterstützung fehlt. In einer Diskussionsrunde hörte ich von anderen Genesungsbegleitern ähnliche Geschichten: „Ich werde als vollwertiges Teammitglied eingesetzt, aber meine Bezahlung ist lächerlich gering“, sagte eine Kollegin. Diese Worte trafen ins Schwarze. Es ist frustrierend zu sehen, wie wir so wertvolle Arbeit leisten, aber nicht die Anerkennung und Entlohnung bekommen, die wir verdienen.
Ich fragte mich, ob ich weitermachen sollte. Viele Genesungsbegleiter arbeiten ehrenamtlich, weil es kaum bezahlte Stellen gibt. Einige haben es geschafft, sich selbständig zu machen, aber auch das ist ein harter Weg. Ich liebe, was ich tue, aber die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, sind oft unerträglich.
Am Ende bleibt die Frage: Warum wird unsere Arbeit nicht wertgeschätzt? Warum werden wir als Bedrohung gesehen und nicht als das, was wir wirklich sind – eine Unterstützung für das Team und eine echte Hilfe für die Patienten? Ich weiß, dass es Veränderung braucht, aber manchmal fühlt es sich so an, als ob wir gegen Windmühlen kämpfen.
Ich durfte eine Zeitlang Max auf seinem Weg begleiten. Eines Tages, als Max die Klinik verließ, um ein neues Kapitel in seinem Leben zu beginnen, bedankte er sich bei mir. „Du hast mir gezeigt, dass es immer Hoffnung gibt, selbst in den dunkelsten Zeiten. Danke, dass du an mich geglaubt hast.“
Ich lächelte und wusste, dass dies der wahre Lohn meiner Arbeit war. Ich bin fest entschlossen, weiterhin für die Anerkennung und Wertschätzung der Genesungsbegleiter zu kämpfen, damit ich auch in Zukunft vielen Menschen wie Max helfen kann.
Ich werde nicht aufgeben. Die Rückmeldungen der Patienten und das Wissen, dass ich ihnen helfen kann, sind das, was mich weitermachen lässt. Auch wenn das System uns nicht immer den Platz gibt, den wir verdienen, weiß ich, dass unsere Arbeit wichtig ist. Und genau deshalb werde ich weiterkämpfen – für mich und für all jene, die nach mir kommen.
Sara, 33 Jahre
Dieser Bericht zeigt die tiefen Emotionen, die mit der Arbeit im psychiatrischen Bereich verbunden sind. Sara und ihren KollegenInnen begegnen tagtäglich Situationen, die herausfordernd und manchmal auch gefährlich sind. Doch trotz aller Belastungen bleibt die Hoffnung bestehen, Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen zu helfen – auch in den dunkelsten Momenten.
Herausforderungen für Genesungsbegleiter
1. Monetäre Wertschätzung und Ehrenamt:
Viele Genesungsbegleiter arbeiten ehrenamtlich oder in schlecht bezahlten Positionen. Obwohl sie einen wichtigen Beitrag zur Genesung der Patienten leisten, klaffen Leistung und Honorierung oft auseinander. Es gibt Fälle, in denen Genesungsbegleiter als Pflegehelfer eingestuft werden, was zu niedrigen Gehältern führt. Eine gerechte Entlohnung ist notwendig, um die Arbeit wertzuschätzen und die finanzielle Existenz zu sichern.
Lösungsvorschlag:
Einführung eines einheitlichen Tarifvertrags für Genesungsbegleiter, der ihre spezifischen Qualifikationen und Erfahrungen berücksichtigt.
2. Berufliche Anerkennung und Eingruppierung:
Die berufliche Anerkennung von Genesungsbegleitern ist oft unzureichend. Einige werden als Sozialarbeiter eingestuft, während andere kaum Anerkennung finden. Die fehlende Standardisierung und das unklare Berufsbild erschweren die Verhandlungen über bessere Eingruppierungen und Gehälter. Es ist wichtig, dass die spezifischen Erfahrungen und das Wissen der Genesungsbegleiter anerkannt und entsprechend honoriert werden.
Lösungsvorschlag:
Entwicklung eines klaren Berufsbildes und verbindlicher Standards für die Eingruppierung von Genesungsbegleitern.
3. Arbeitsbedingungen und Freiheitsgrade:
Viele Genesungsbegleiter schätzen die Freiheitsgrade in ihrer Arbeit, wie die Möglichkeit, sich Zeit für Patienten zu nehmen und nicht dem pflegerischen Schichtsystem zu unterliegen. Diese Freiheitsgrade tragen zur Zufriedenheit bei, auch wenn die Bezahlung oft nicht angemessen ist. Es ist wichtig, dass diese Freiheitsgrade erhalten bleiben und gleichzeitig eine faire Entlohnung gewährleistet wird.
Lösungsvorschlag:
Sicherstellung flexibler Arbeitszeiten und individueller Arbeitsgestaltung bei gleichzeitiger Anpassung der Gehälter an die Verantwortung und den Arbeitsaufwand.
4. Regionale Unterschiede und Arbeitsmarkt:
Die Verfügbarkeit und Anerkennung von Genesungsbegleitern variiert stark je nach Region. In ländlichen Gebieten ist es oft schwieriger, eine Anstellung zu finden, und die Wohnsituation kann problematisch sein. Es gibt auch Unterschiede in der Finanzierung und Unterstützung durch Jobcenter und andere Institutionen. Eine bessere Vernetzung und Sammlung von Genesungsbegleitern könnte helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen.
Lösungsvorschlag:
Aufbau einer zentralen Datenbank für Genesungsbegleiter, die Stellenangebote und -gesuche sowie regionale Unterschiede transparent macht.
5. Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung:
Viele Genesungsbegleiter leisten wichtige Aufklärungsarbeit, um ihre Rolle und den Wert ihrer Arbeit bekannt zu machen. Dies ist besonders wichtig in Kliniken, Jobcentern und sozial-psychiatrischen Diensten, wo die Genesungsbegleitung oft noch nicht ausreichend bekannt ist. Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen könnten dazu beitragen, die Anerkennung und Wertschätzung für Genesungsbegleiter zu erhöhen und ihre Position im Gesundheitssystem zu stärken.
Lösungsvorschlag:
Start einer bundesweiten Kampagne zur Aufklärung über die Rolle und den Wert von Genesungsbegleitern, unterstützt durch Medien und soziale Netzwerke.
6. Emotionale Belastung und Unterstützung:
Die Arbeit als Genesungsbegleiter ist oft emotional belastend. Es ist wichtig, dass Genesungsbegleiter Zugang zu Supervision und psychologischer Unterstützung haben, um ihre eigene Gesundheit zu schützen. Regelmäßige Schulungen und Austauschmöglichkeiten mit Kollegen könnten ebenfalls zur Entlastung beitragen.
Lösungsvorschlag:
Einführung von verpflichtenden Supervisionssitzungen und regelmäßigen Fortbildungen für Genesungsbegleiter.
7. Integration in bestehende Teams:
Genesungsbegleiter werden oft nicht vollständig in bestehende Teams integriert und ihre spezifischen Erfahrungen werden nicht ausreichend genutzt. Eine bessere Integration könnte die Effektivität ihrer Arbeit erhöhen und das Team insgesamt stärken.
Lösungsvorschlag:
Entwicklung von Integrationsprogrammen und Schulungen für bestehende Teams, um die Zusammenarbeit zu verbessern.
8. Finanzierung und gesetzliche Verankerung:
Die Finanzierung von Genesungsbegleitern ist oft unsicher und abhängig von verschiedenen Fördermitteln. Eine gesetzliche Verankerung ihrer Rolle im Gesundheitssystem könnte zu einer stabileren Finanzierung und besseren Anerkennung führen.
Lösungsvorschlag:
Lobbyarbeit und politische Kampagnen zur Aufnahme von Genesungsbegleitern in relevante Gesetzbücher wie SGB V und SGB IX.
9. Berufliche Weiterentwicklung:
Es gibt oft wenige Möglichkeiten für Genesungsbegleiter, sich beruflich weiterzuentwickeln und aufzusteigen. Klare Karrierewege und Weiterbildungsmöglichkeiten könnten die Attraktivität des Berufs erhöhen.
Lösungsvorschlag:
Entwicklung von Weiterbildungsprogrammen und klaren Karrierepfaden für Genesungsbegleiter.
10. Vernetzung und Austausch:
Eine stärkere Vernetzung unter Genesungsbegleitern könnte den Austausch von Erfahrungen und Best Practices fördern. Dies könnte auch dazu beitragen, gemeinsame Interessen zu vertreten und die Position der Genesungsbegleiter zu stärken.
Lösungsvorschlag:
Aufbau von regionalen und überregionalen Netzwerken und regelmäßigen Treffen oder Konferenzen für Genesungsbegleiter.
Lösungsvorschläge zu den Herausforderungen für Genesungsbegleiter
- Monetäre Wertschätzung und Ehrenamt
Lösungsvorschlag: Einführung eines einheitlichen Tarifvertrags für Genesungsbegleiter, der ihre spezifischen Qualifikationen und Erfahrungen berücksichtigt. - Berufliche Anerkennung und Eingruppierung
Lösungsvorschlag: Entwicklung eines klaren Berufsbildes und verbindlicher Standards für die Eingruppierung von Genesungsbegleitern. - Arbeitsbedingungen und Freiheitsgrade
Lösungsvorschlag: Sicherstellung flexibler Arbeitszeiten und individueller Arbeitsgestaltung bei gleichzeitiger Anpassung der Gehälter an die Verantwortung und den Arbeitsaufwand. - Regionale Unterschiede und Arbeitsmarkt
Lösungsvorschlag: Aufbau einer zentralen Datenbank für Genesungsbegleiter, die Stellenangebote und -gesuche sowie regionale Unterschiede transparent macht. - Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung
Lösungsvorschlag: Start einer bundesweiten Kampagne zur Aufklärung über die Rolle und den Wert von Genesungsbegleitern, unterstützt durch Medien und soziale Netzwerke. - Emotionale Belastung und Unterstützung
Lösungsvorschlag: Einführung von verpflichtenden Supervisionssitzungen und regelmäßigen Fortbildungen für Genesungsbegleiter. - Integration in bestehende Teams
Lösungsvorschlag: Entwicklung von Integrationsprogrammen und Schulungen für bestehende Teams, um die Zusammenarbeit zu verbessern. - Finanzierung und gesetzliche Verankerung
Lösungsvorschlag: Lobbyarbeit und politische Kampagnen zur Aufnahme von Genesungsbegleitern in relevante Gesetzbücher wie SGB V und SGB IX. - Berufliche Weiterentwicklung
Lösungsvorschlag: Entwicklung von Weiterbildungsprogrammen und klaren Karrierepfaden für Genesungsbegleiter. - Vernetzung und Austausch
Lösungsvorschlag: Aufbau von regionalen und überregionalen Netzwerken und regelmäßigen Treffen oder Konferenzen für Genesungsbegleiter.