Werkstattbeschäftigter
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Neuanfang im ersten Arbeitsmarkt: Eine Erfolgsgeschichte aus der Sicht der Selbsthilfe
Die Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener freut sich immer wieder über Erfolgsgeschichten wie die von Uwe Sieben, die zeigen, dass es möglich ist, auch nach längeren Phasen der Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Uwe Sieben, ein 51-jähriger Mann aus Ingelheim (bei Mainz), der über zwei Jahrzehnte in einer Werkstatt der Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen (gpe) arbeitete, hat diesen Schritt gewagt und erfolgreich gemeistert.
Sein Neuanfang auf einem Außenarbeitsplatz in einer Zahnarztpraxis zeigt, wie wichtig es ist, Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen Perspektiven zu bieten und ihnen Vertrauen entgegenzubringen.
Diese Geschichte verdeutlicht den Wert der Inklusion und die Chancen, die sich durch das Engagement von Arbeitgebern wie der Zahnarztpraxis Melzer in Ingelheim eröffnen. Sie gaben Uwe Sieben die Möglichkeit, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, und er hat sich schnell als wertvolles Mitglied des Teams etabliert. Die Unterstützung, die er sowohl von der Praxis als auch von der gpe erhält, zeigt, wie entscheidend ein gut abgestimmtes Netzwerk aus pädagogischer Begleitung und einem offenen Arbeitsumfeld ist.
Für uns in der Selbsthilfe ist es inspirierend, zu sehen, wie Menschen durch Vertrauen und Anerkennung über sich hinauswachsen können. Die Selbständigkeit, die Uwe Sieben in seiner neuen Rolle erlebt, ist für ihn nicht nur beruflich ein Gewinn, sondern hat auch positive Auswirkungen auf seine psychische Gesundheit. Der Stolz und die Zufriedenheit, die er empfindet, spiegeln wider, wie bedeutend sinnstiftende Arbeit für das Wohlbefinden ist.
Dies ist nicht nur eine individuelle Erfolgsgeschichte, sondern ein Beispiel dafür, dass inklusive Arbeitsmodelle, bei denen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommen, funktionieren. Solche Erfolge sollten ermutigen, auch anderen Betroffenen ähnliche Möglichkeiten zu eröffnen. Uwe Siebens Weg zeigt uns, wie wichtig es ist, weiter für solche Chancen zu kämpfen und Menschen auf diesem Weg zu begleiten.
Die Selbsthilfe setzt sich auch weiterhin dafür ein, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen den Zugang zu fairen Arbeitsbedingungen und eine echte Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten. Denn wie die Geschichte von Uwe Sieben beweist: Ein Neuanfang ist jederzeit möglich – und oft ist er erfolgreicher, als man es sich je hätte vorstellen können.
Appell zur Einstellung von Menschen mit psychischen Erkrankungen auf dem ersten Arbeitsmarkt
Menschen, die psychische Erkrankungen durchlebt haben, stehen bei der Jobsuche auf dem ersten Arbeitsmarkt vor erheblichen Hürden und werden häufig nicht eingestellt. Nicht nur im Rahmen des Tags der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober 2024 möchten wir darauf hinweisen, dass die gravierenden Folgen dieser Exklusion weitreichend sind.
Psychische Erkrankungen führen oft zu sozialer Isolation, und ein zentraler Aspekt dieser Isolation ist die Ausgrenzung vom ersten Arbeitsmarkt. Ohne Beschäftigung wird die Teilhabe an der Gesellschaft erschwert. Der Arbeitsmarkt ist jedoch nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen ausgerichtet. Hohe Arbeitslast, Leistungsdruck und die fehlende Möglichkeit eines längeren krankheitsbedingten Ausfalls erschweren die Beschäftigung erheblich. Der Fokus liegt auf gesunden, uneingeschränkt leistungsfähigen Mitarbeitenden, was zur Ausgrenzung aller Menschen mit psychischen Erkrankungen führt.
Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass alle psychisch erkrankten Personen in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind. Dies ist jedoch nicht immer der Fall; viele können bedeutende Beiträge leisten. Die pauschale Ablehnung psychiatrieerfahrener Menschen verstärkt die Stigmatisierung und behindert deren Integration in die Gesellschaft. Die Rückkehr ins Berufsleben kann entscheidend zur Gesundung und Stabilität beitragen, indem sie Struktur, Lebensperspektive und soziale Eingliederung ermöglicht.
Die Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener appelliert an Unternehmen, Politik und Gesellschaft: Unterstützen Sie Psychiatrieerfahrene bei ihrem Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt. Angesichts des aktuellen Fachkräftemangels darf es nicht sein, dass Stellen nicht mit diesen qualifizierten Menschen besetzt werden. Es ist wichtig, dass der Arbeitsmarkt Wege findet, um auch weniger leistungsfähigen Psychiatrieerfahrenen Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. Diese Chancen sind entscheidend, um deren Leistungsfähigkeit schrittweise zu steigern.
Der Arbeitsmarkt muss sich an die Bedürfnisse von Psychiatrieerfahrenen anpassen, nicht umgekehrt. Die Hürden für die Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt müssen gesenkt werden, um diesen Menschen eine Perspektive zu bieten. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Ausgrenzung sind erheblich, sowohl durch soziale Hilfen als auch durch den Verlust an Produktivität. Psychiatrieerfahrene sind in der Lage, aktiv am Arbeitsmarkt teilzunehmen – jedoch nicht zu den gegenwärtigen Bedingungen.
Wir fordern Unternehmen auf, die Arbeitsanforderungen so zu gestalten, dass auch Menschen mit psychischen Erkrankungen erfolgreich in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können. Dies wird nicht nur deren Wertschätzung in der Gesellschaft erhöhen, sondern auch die volkswirtschaftlichen Kosten durch psychische Erkrankungen senken.