Markus Psychose
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Kritische Anmerkungen zu Markus' Geschichte
Wir als Selbsthilfeverband Psychiatrie-Erfahrener möchten einige kritische Anmerkungen zu Markus' Geschichte und dem Umgang mit seiner Situation machen:
Einblicke in den Klinikalltag: Markus' Erfahrungsbericht
➡️ Unser Landesnetzwerk erhielt nachfolgenden Erlebnisbericht, den wir hier gerne teilen möchten. Markus, ein Betroffener, berichtet uns über seine Erfahrungen mit der Gesellschaft und seinen psychotischen Gedanken, seine Erfahrungen in einer Landesklinik in Rheinland-Pfalz und gibt Einblicke in die Herausforderungen in sein Erleben, sowie die Schattenseiten und Lichtblicke seiner Behandlung.
➡️ Hallo, ich bin Markus und ich möchte erzählen, wie es war, als ich in eine Landesklinik in Rheinland-Pfalz eingewiesen wurde. Ich hatte viele beängstigende Gedanken und hörte Stimmen. Das machte mir große Angst und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.
Eines Tages fühlten sich meine Nachbarn durch mein Verhalten gestört. Ich war sehr laut und benahm mich seltsam. Sie riefen die Polizei. Die Polizei kam und entschied, dass ich Hilfe brauche. Sie brachten mich gefesselt in die Landesklinik A.
Die Einlieferung durch die Polizei war sehr beängstigend für mich. Ich fühlte mich hilflos und schämte mich. In der Klinik war die Situation zunächst sehr chaotisch. Die Mitarbeiter entschieden, dass ich eine Gefahr für mich selbst und andere darstellte, und zwangsfixierten mich. Ich wurde ans Bett gefesselt, was eine extrem traumatische Erfahrung für mich war.
Ich blieb über Nacht fixiert. Diese Zeit war sehr schwer für mich. Ich fühlte mich völlig hilflos und hatte das Gefühl, dass niemand mich verstand. Die Stimmen in meinem Kopf wurden durch die Fixierung noch lauter und beängstigender. Die Mitarbeiter der Klinik kamen regelmäßig, um nach mir zu sehen und mir Medikamente zu verabreichen, aber es fühlte sich an, als wäre ich in einem Albtraum gefangen.
Erst nach ein paar Tagen wurde ich von der Fixierung befreit. Die Ärzte und Therapeuten erklärten mir, dass dies zu meinem eigenen Schutz notwendig war, aber das machte die Erfahrung nicht weniger traumatisch. Nach der Freilassung begann ich, langsam an den Therapiemaßnahmen teilzunehmen.
Die Behandlung bestand aus Medikamenten und kurzen Gesprächen. Die Medikamente halfen etwas gegen die Stimmen und die Gespräche halfen mir, meine Gedanken zu ordnen. Besonders hilfreich waren die Gespräche unter uns Leidensgenossen. Es tat gut zu wissen, dass ich nicht allein war und andere ähnliche Probleme hatten.
Trotzdem gab es viele Probleme. Die Bürokratie war extrem kompliziert, und der Hierarchiedruck unter dem Personal war deutlich spürbar und wurde manchmal an die Klienten weitergereicht. Es dauerte qualvoll lange, bis die richtigen Medikamente gefunden wurden. Oft fühlte ich mich überhaupt nicht ernst genommen, und es war nahezu unmöglich, offen über meine Gedanken zu sprechen. Die ganze Situation war frustrierend und ließ mich oft verzweifeln.
Nach mehreren Wochen in der Klinik fühlte ich mich etwas besser. Die Entlassung war ein wichtiger Schritt, aber ich hatte auch Angst, wieder allein klarzukommen. Es wurden zwar Nachsorgetermine zu Hause vereinbart, die in der Regel mangels Personal nicht eingehalten werden konnten.
Insgesamt bin ich dankbar für die Hilfe, aber es war nicht einfach. Die Klinik hat mir geholfen, aber es gibt noch viele Dinge, die besser werden müssen. Besonders die Erfahrung der Zwangsfixierung war sehr belastend und ich hoffe, dass solche Maßnahmen in Zukunft sorgfältiger abgewogen werden.
Markus, 42 Jahre
Dieser Bericht spiegelt häufige Erfahrungen von Menschen wider, die in Rheinland-Pfalz psychiatrische Hilfe suchen. Namen und Orte wurden anonymisiert. Der Bericht wurde zur besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit von der Redaktion überarbeitet und basiert auf einer wahren Begebenheit.
Problemlagen aus dem Bericht von Markus:
- Markus leidet unter beängstigenden Gedanken und hört Stimmen, was ihm große Angst bereitet.
Soziale Isolation:
- Das Verhalten von Markus führte zu Beschwerden seiner Nachbarn, was auf eine soziale Isolation und Konflikte mit der Umgebung hinweist.
Traumatische Polizeieinlieferung:
- Die Einlieferung durch die Polizei war für Markus eine traumatische und beängstigende Erfahrung.
Erzwungene Fixierung:
- Markus wurde in der Klinik zwangsfixiert, was eine extrem traumatische Erfahrung für ihn war und seine Angst und Hilflosigkeit verstärkte.
Verstärkung der Symptome:
- Die Fixierung verstärkte die beängstigenden Stimmen in Markus’ Kopf.
Unzureichende Kommunikation und Betreuung:
- Die Betreuung in der Klinik fühlte sich für Markus unzureichend an, da er das Gefühl hatte, dass ihn niemand wirklich verstand.
Bürokratische Hürden:
- Die Bürokratie in der Klinik war kompliziert und verzögerte die richtige Medikamentenversorgung.
Mangel an Empathie und Verständnis:
- Markus fühlte sich manchmal nicht ernst genommen und es fiel ihm schwer, offen über seine Gedanken zu sprechen.
Nachsorgeprobleme:
- Die Nachsorgetermine wurden oft aufgrund von Personalmangel nicht eingehalten, was Markus’ Angst vor dem Alleinsein verstärkte.
Bedarf an Verbesserungen im Kliniksystem:
- Die traumatische Erfahrung der Zwangsfixierung und die allgemeine Betreuungssituation in der Klinik zeigen einen Bedarf an Verbesserungen im System.
Angst vor der Zukunft:
- Trotz einer leichten Besserung nach der Behandlung hatte Markus Angst, wieder allein zurechtzukommen.
Diese Punkte verdeutlichen die komplexe Problemlage von Markus, die sowohl psychische, soziale als auch institutionelle Herausforderungen umfasst.
Lösungsansätze aus Sicht der Betroffenen:
Bessere Aufklärung und Prävention:- Regelmäßige Informationsveranstaltungen und Workshops für Betroffene und ihre Angehörigen, um über psychische Erkrankungen und deren Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären.
- Förderung von Peer-Support-Gruppen, in denen Betroffene ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig unterstützen können.
Verbesserte Kommunikation und Empathie im Klinikalltag:
- Schulung des Klinikpersonals im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen, um eine einfühlsame und verständnisvolle Kommunikation zu fördern.
- Etablierung von regelmäßigen Feedback-Gesprächen zwischen Patienten und dem Klinikpersonal, um sicherzustellen, dass sich die Patienten ernst genommen und verstanden fühlen.
Alternativen zur Zwangsfixierung:
- Entwicklung und Implementierung alternativer, weniger traumatisierender Maßnahmen zur Sicherstellung der Patientensicherheit. (z.B. SafeWards, OpenDialog)
- Einrichtung von beruhigenden Räumen und die Bereitstellung von Deeskalationstechniken, um Zwangsmaßnahmen zu vermeiden.
Schnellere und gezieltere Medikamentenversorgung:
- Reduzierung der bürokratischen Hürden bei der Medikamentenversorgung, um sicherzustellen, dass Patienten schnell die richtigen Medikamente erhalten.
- Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Medikation unter Einbeziehung der schon gemachten Erfahrungen des Patienten und nur mit dessen Zustimmung, um die Wirksamkeit zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren.
Umfassende Nachsorge und Unterstützung nach der Entlassung:
- Sicherstellung von ausreichendem Personal für die Nachsorge, um vereinbarte Termine zuverlässig einzuhalten.
- Bereitstellung von Kriseninterventionsdiensten und Notfall-Hotlines, die rund um die Uhr erreichbar sind, um Betroffenen bei akuten Problemen sofort Hilfe zu bieten.
Förderung von Selbsthilfe und Empowerment:
- Unterstützung von Selbsthilfegruppen und Peer-Mentoring-Programmen, in denen Betroffene von den Erfahrungen anderer profitieren können.
- Bereitstellung von Ressourcen und Schulungen, die Betroffenen helfen, ihre Krankheit besser zu verstehen und zu bewältigen.
Regelmäßige Evaluation und Verbesserung der Klinikstandards:
- Etablierung von Qualitätssicherungsmaßnahmen, um die Standards in Kliniken regelmäßig zu überprüfen und zu verbessern.
- Einbeziehung von Patientenfeedback in die Weiterentwicklung der Behandlungsmethoden und Klinikabläufe.
Inklusive Therapieangebote:
- Bereitstellung einer Vielzahl von Therapiemöglichkeiten, die auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind, wie z.B. Kunsttherapie, Bewegungstherapie und Achtsamkeitstraining.
- Förderung von individuellen Therapieplänen, die gemeinsam mit den Patienten erarbeitet und regelmäßig angepasst werden.
Diese Lösungsansätze zielen darauf ab, die Lebensqualität und die Behandlungserfahrungen von Betroffenen zu verbessern und gleichzeitig die Belastungen durch bürokratische Hürden und traumatisierende Maßnahmen zu reduzieren.
Dringend notwendig ist eine umfassende Reform des psychischen Gesundheitssystems, die auf den Erfahrungen und Bedürfnissen der Betroffenen basiert. Dies umfasst eine verbesserte Kommunikation und Empathie im Klinikalltag, alternative Maßnahmen zur Zwangsfixierung, schnellere und gezieltere Medikamentenversorgung unter Einbeziehung der Patienten, und eine zuverlässige Nachsorge nach der Entlassung.
Nur durch diese Maßnahmen können wir sicherstellen, dass Menschen wie Markus die Unterstützung und Behandlung erhalten, die sie dringend benötigen, ohne zusätzliche Traumatisierung und Unsicherheit zu erleben.
Einige von uns haben nicht mehr so viel Zeit, um weiterhin auf die dringend notwendigen Veränderungen zu warten.